Die Neustraße als Schmugglerzentrum nach dem Zweiten Weltkrieg Nach der Befreiung Kerkrades rissen die Bewohner den Zaun ein, die Alliierten errichteten aber umgehend einen 2,30 m hohen neuen Zaun. Am 23. April 1949 setzte die niederländische Seite eine Grenzkorrektur durch, indem sie den Zaun auf der deutschen Seite neu errichtete. Ohne Vertrag wurde so die gesamte Neustraße zu niederländischem Gebiet. Der seit dem Ende des Krieges wieder erstarkte Schmuggel in der Neustraße[9] sollte unter Kontrolle gebracht werden. Schon die erste Fronleichnamsprozession nach dem Krieg am 8. Juli ging als Schmugglerprozession in die Geschichte ein. Zahlreiche Kerkrader nutzten sie, um ihren Verwandten und Freunden Päckchen zuzustecken.[10] Allein 1947 wurden 6878 deutsche Kinder von niederländischen Zöllnern aufgegriffen und über die Grenze zurückgeschickt.[11] Das gelang nur mäßig. Vor allem Kinder spielten auf beiden Seiten des Zaunes miteinander, indem sie sich Bälle über das Hindernis warfen. Erst langsam entdeckten die Behörden, dass viele dieser Bälle mit Schmuggelware gefüllte Ballons oder Socken waren, die die Kinder nach Erhalt schnell austauschten. Geschmuggelt wurde, was in die Ballons passte, meist Kaffeebohnen.
1950 tat sich mitten auf dem Bürgersteig der Nieuwstraat ein tiefes Loch auf. Zunächst glaubte man an eine Unterspülung. Bald stellte sich jedoch heraus, dass von einem trockengelegten Brunnen ein Tunnel unter der gesamten Straße gegraben worden war. Der Tunnel hatte einen Durchmesser zwischen 60 und 80 Zentimeter und eine Länge von über 60 Metern. Diese Schmugglerroute konnte nie ihrer Bestimmung dienen, da der Weg schlicht falsch berechnet worden war. Statt in der angepeilten Wohnung auf der niederländischen Seite zu landen, hatten die Tunnelbauer zu früh nach oben gegraben.[12] Obwohl klar war, dass der Zielpunkt das Haus eines Kerkrader Bergmanns war und vielen Bewohnern auf beiden Seiten der Neustraße die Identitäten der Schmuggler vermutlich bekannt waren, wurde niemals einer der Tunnelbauer entdeckt oder inhaftiert. Der Schmuggel nahm in so hohem Maße zu, dass der gesamte Raum Aachen als das Loch im Westen[13] oder die Aachener Kaffeefront bekannt war. Der Alliierte Kontrollrat verbot in der Folge sämtliche Grenzübertritte für Zuid-Limburg außerhalb der Stadt Vaals. Die Senkung der Kaffeesteuer im Jahr 1953 und die Unterzeichnung der Römischen Verträge entspannten die Situation und führten zu einem starken Rückgang des Schmuggels.