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Radrennbahn

Die Sport-Arena, Kerkrade-Herzogenrath in den 30er Jahren an der Neustraße (Stadtarchiv Herzogenrath)

Der Radsport erlebte um 1900 einen Boom, überall entstanden Radrennbahnen. Die Radrennbahn an der Neustraße war zur damaligen Zeit etwas Besonderes. Deutsche und niederländische Radsportfreunde hatten gemeinsam auf Kerkrader Seite die Stichting Wielerbaan Nieuwstraat gegründet. Der Sitz befand sich im Hotel Germania an der Neustraße (Nr. 146). 1932 wurde dort mit den Planungen der Radrennbahn begonnen, deren Bau 1933 direkt gegenüber des Hotels Germania auf deutscher Seite startete. Die Konzession wurde über den Deutschen Radsportbund vergeben, somit entstand die Bahn auch auf deutscher Seite. Ein Grund für die deutsche Lizenz war wohl, dass der damalige Kerkrader Bürgermeister Habets die Öffnungszeiten begrenzen wollte, dies aber Probleme mit dem bekannten 6-Tage-Rennen gegeben hätte. Diese Rennen brachten jedoch das meiste Geld ein. Das Kapital zum Bau der Bahn war aus privater Hand aufgebracht worden, hier vor allen Dingen von niederländischen Anteilseignern. Letztendlich kostete die Bahn ca. 60.000 Reichsmark.

Für den Bau konnte der weltbekannte deutsche Bahnbauer Clemens Schürmann aus Münster gewonnen werden. Er entwarf eine 200 Meter lange und sechs Meter breite Holzrennbahn. Die ca. 6000 Zuschauerplätze waren überdacht. Damit war sie damals die zweitgrößte offene Holzrennbahn Deutschlands und eine der modernsten und schnellsten Bahnen Europas. Insgesamt war die Bahn ca. 6500 qm groß und auch andere Sportveranstaltungen, z. B. Boxkämpfe, konnten dort stattfinden.

Der offizielle Name der Rennbahn lautet Sport-Arena, Kerkrade-Herzogenrath. Die Bahn wurde am Samstag, den 6. Mai 1933, offiziell eröffnet. Ca. 2000 Besucher waren anwesend als Frau Huijnen, Ehefrau des Kerkrader Bankdirektors der Kerkraadse Handelsbank, den Startschuss für das erste Rennen gab. Drei Monate zuvor hatte Hitler die Macht übernommen und dies spürte man auch bei den sportlichen Aktivitäten. Sportveranstaltungen mit mehr als 30 Prozent Teilnehmer ausländischer Herkunft wurden verboten. Die niederländischen Nachbarn wurden immer mehr ausgegrenzt.

Das letzte Rennen fand am 16. August 1939 statt, nach nur 16 Rennen und einem Boxkampf. Es war nur noch für geladene Gäste zugänglich. Hermann Schild stellte hierbei einen neuen Stundenrekord mit 43,298 km auf. Danach nutzte die Hitler-Jugend das Gelände für ihre Aufmärsche und Übungen.

Im Mai 1940 wurde die Radrennbahn als Sammelpunkt für das deutsche Militär genutzt, welches dort in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai auf den Einmarschbefehl in die Niederlande wartete.  Am 10. Mai 1940 überfiel die deutsche Wehrmacht die Niederlande. Im Krieg wurde die Rennbahn von mehreren Granaten getroffen. Die Bahn selbst hätte nach dem Krieg wieder genutzt werden können. Kerkrader Radsportfreunde hatten schon Planungen dafür aufgenommen, aber die deutsche Bevölkerung plünderte das Holz als Brennstoff. Dies wurde nötiger gebraucht als eine Rennbahn.

Die Herzogenrather Verwaltung hatte zwar extra einen Wachposten angestellt, um weitere Plünderungen zu verhindern. Doch dieser wurde nachts von Plünderern niedergeschlagen. So blieb zuletzt nur noch der Rohbau übrig.

1952 wurde der Rest im Auftrag der Stadt Herzogenrath abgerissen. Bei diesen Abrissarbeiten verletzte sich ein Arbeiter schwer und wurde mit Arm-, Beinbrüchen und schweren Kopfverletzungen ins Bardenberger Krankenhaus gebracht. 1962 wurde auf dem ehemaligen Gelände die Metallbaufirma Thevis gebaut. Nun erinnert nur noch der Straßenname „An der Rennbahn“ auf deutscher Seite an die Sport-Arena Kerkrade-Herzogenrath.

Schusswechsel mit tödlichem Ausgang

Direkt gegenüber der Radrennbahn auf der niederländischen Seite stand das Hotel Germania. Am 12. Januar 1933 wurde dort im Hotel der Kerkrader Radsportverein „Ren- en Supportersvereniging Roda“ gegründet. Otto Gerards war dort Schatzmeister. Er war Deutscher, mit einer Kerkraderin verheiratet und wohnte auf Kerkrader Seite. Seine 10 Jahre ältere Frau brachte 5 Kinder mit in die Ehe, gemeinsam hatten sie eine Tochter, die damals ca. 8 Jahre alt war.

Otto Gerards – erste Reihe stehend, mit Hut in der rechten Hand (Foto: Familie Zomerplaag-ter Horst, Enkelin O. Gerards)

Am Donnerstag, den 10.08.1933 hatte der Radsportverein auf der Rennbahn eine Veranstaltung und auch Otto Gerards machte sich auf den Weg zur Radsportarena. Er traf dort auf den Herzogenrather Polizisten Joseph Mommertz, der in Zivil vor Ort war. Sie hatten sich kurz unterhalten. Als O. Gerards dann einige Zeit später vor dem Eingang der Radrennbahn in der Kontrolle stand, wollte J. Mommertz ihm Handschellen anlegen. Otto Gerards widersetzte sich dem. O. Gerards wurde auf deutscher Seite aufgrund seiner politischen Gesinnung (Sozialist) und angeblicher Spionage gesucht. Es kam zu einem Handgemenge in dessen Verlauf J. Mommertz O. Gerards mit seiner Dienstwaffe in den Bauch schoss. Laut Überlieferung soll Otto Gerards sich dabei auf dem Boden liegend auf niederländischem Gebiet befunden haben. J. Mommertz packte sich den schwer verwundeten O. Gerards auf die Schulter und stieg in die Tram, die genau in diesem Moment aus Aachen kommend Richtung Herzogenrath fuhr. Er brachte ihn zu einem Herzogenrather Arzt. Aufgrund der schweren Bauchverletzung wurde er jedoch direkt weiter in das Bardenberger Krankenhaus gebracht. Dort verstarb Otto Gerards (33jährig) aufgrund der schweren Verletzung am darauffolgenden Samstag, den 13. August 1933. Für Unmut sorgte unter den Radsportmitgliedern, dass nach dem Vorfall am 10.08.1933 die Radiomusik in der Sportarena weiterlief und auch die Radrennen nicht abgebrochen worden sind. Viele Mitglieder des Vereins verließen mit Unverständnis die Radrennbahn. J. Mommertz wurde wegen der Schießerei nicht belangt, er fiel jedoch immer wieder wegen seines aggressiven Verhaltens im Grenzgebiet auf. Erst nach einem weiteren Vorfall im Juni 1936, als er versuchte einen vermeintlichen Schmuggler über die Grenze hinweg festzunehmen, wurden auf Druck der Kerkrader auch die deutschen Behörden in Herzogenrath aktiv. Er wurde in seinem Rang zurückgestuft und musste 100 Reichsmark Strafe zahlen.

Einige Tage nach dem Vorfall an der Neustraße wurden durch Sozialisten aus Heerlen Flugblätter an Besucher der Rennbahn verteilt:“…in der Sport-Arena werden freie Niederländer gezwungen bei dem Spielen des Horst-Wessellieds aufzustehen …geht nicht nach Deutschland, in das Land, in dem Gummiknüppel und Revolver regieren.“

Siegerehrung an der Radrennbahn – Die Nazionalsozialisten hatten den Sport und die deutsch-niederländische Sport-Arena für sich vereinnahmt. (Gemeentearchief Kerkrade)

Deutscher Soldat am Zaun vor der Rennbahn. (Gemeentearchief Kerkrade)

De Limburger – 18-07-1936 “Aus dem Leben eines Revolverhelden“

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